Boeings Turnaround ist immer mehr gefährdet – doch die Airbus-Aktie macht sich unterdessen auf zu neuen Allzeithochs. Das sollten Anleger jetzt wissen.
Nach turbulenten Jahren wollte Boeing-Chef David Calhoun 2024 eigentlich die Trendwende einläuten: Geplant war nicht nur ein deutlicher Anstieg der Flugzeug-Auslieferungen, sondern auch der erste Jahresgewinn seit Calhouns Antritt 2020. Auch viele Analysten hatten sich positioniert: Basierend auf dem erwarteten kräftigen Absatzplus prognostizierten sie steigende Margen und deutliche Kursgewinne.
Der dramatische Zwischenfall vor einer Woche während des Fluges einer Boeing 737 Max der Alaska Airlines mit herausgebrochener Kabinenwand und Notlandung könnte aus diesen Prognosen Makulatur machen. Die Aufsicht verhängte ein Flugverbot, die Boeing-Aktie brach ein. Erstmals hat Calhoun öffentlich Fehler eingeräumt, und er sagte, es müsse alles getan werden, dass so etwas „nie wieder passieren kann“.
Analysten taten sich schwer, den Zwischenfall einzuordnen. Die Probleme mit der 737 seien „nicht hilfreich“, Produktion und Auslieferungen zu steigern, hieß es etwa bei JP Morgan. Kaufempfehlung und Kursziel wurde aber beibehalten.
Doch der Vorfall schürt in der Branche gravierende Zweifel an der Konstruktion und der Zulassung von Boeings wichtigstem Flugzeugmodell, das nach zwei Flugzeugabstürzen 2018 und 2019 mit 346 Toten schon einmal 20 Monate aus dem Verkehr gezogen wurde.
Auf längere Sicht gefährden derartige Sicherheits-Vorfälle beide Hersteller
Nicht nur Milliardenkosten waren damals die Folge. Der US-Flugzeugbauer geriet auch im Dauer-Duell mit seinem europäischen Rivalen ins Hintertreffen und verlor Marktanteile. Nur ein schwacher Trost ist es vor diesem Hintergrund, das Boeing 2023 die Auslieferungen bereits wieder um zehn Prozent auf 528 Jets steigern konnte.
Auch ist nicht sicher, dass Vorstandschef Calhoun aus der Affäre ungeschoren davonkommt. Schon bei seiner Ernennung gab es Kritik, weil er vorher Mitglied im Verwaltungsrat war und die Strategie der vorherigen Führung mitgetragen hat. In Branchenkreisen wird kritisiert, dass er bislang keinen echten Strategiewechsel eingeleitet hat. Die permanenten Mängel nährten zudem Zweifel, dass es ein funktionierendes Krisenmanagement bei Boeing gibt. "Wenn die aktuelle Führung nicht in der Lage ist, sich zusammenzureißen, ist es möglich, dass wichtige Aktionäre bei Boeing auf eine neue Führung drängen" zitiert das "Handelsblatt" (Ausgabe 11. Januar) den renommierten US-Luftfahrt-Analysten Henry Harteveldt.
Einschätzung von Börse Online:
Solange die Ursache des Vorfalls nicht geklärt ist, sind die Folgen, insbesondere finanzielle, kaum abschätzbar. Anleger sollten die Finger von der Boeing-Aktie lassen. Der konkurrierende europäische Flugzeug-Hersteller Airbus könnte dagegen profitieren, die Aktie legte bereits zu und markierte neue Allzeithochs bei 144 Euro. Das Airbus-Kurz- und Mittelstreckenmodell A320 gilt derzeit als das bessere Flugzeug im Vergleich zur 737, die Nachfrage dürfte weiter steigen. Allerdings hilft es langfristig auch Airbus nicht, wenn durch derartige Pannen grundsätzlich die Sicherheit des Luftverkehrs in Frage gestellt wird.
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